Wieso braucht es elektronische Alarm- und Überwachungsanlagen?

Sep 22, 2016Medien, Wissen

Wieso braucht es elektronische Alarm- und Überwachungsanlagen? Dieser zentralen Frage ist die Handelszeitung, die grösste Schweizer Wirtschaftszeitung, in der Ausgabe vom 22. September 2016 nachgegangen. Geopraevent CEO Dr. Lorenz Meier gab dabei Auskunft über den Sinn, Einsatzbereich und die Vorteile von elektronischen Alarm- und Überwachungssystemen für Naturgefahren. Das Interview ist unten aufgeführt oder hier als PDF abrufbar. Mehr über das erwähnte Projekt Eiger ist hier nachzulesen.


Auszug Handelszeitung, Special Naturgefahren, 22. September 2016:

«Unsere Anlagen messen die relevanten Prozesse in der Natur»

Geopraevent bietet Alarm- und Überwachungsanlagen von Naturgefahren an. Die Firma hat unter anderem den Eigergletscher überwacht, der während Monaten die Jungfraubahnen bedrohte.

Wann ergibt die Installation einer Alarm- und Überwachungsanlage von Naturgefahren überhaupt Sinn? Welche Voraussetzungen respektive Bedrohungen müssten gegeben sein?

Lorenz Meier: Wir unterscheiden zwei Typen von Überwachungssystemen: Bei einem Warnsystem messen wir, was vor dem gefährlichen Ereignis passiert. Bei einem instabilen Gletscher- oder Felsgebiet können Stunden, Tage oder Wochen vor dem Ereignis erhöhte Bewegungen gemessen werden, was eine Sperrung oder Evakuation ermöglicht.

Und der zweite Typ?
Bei Ereignissen ohne Vorankündigung wie beispielsweise einer Lawine installieren wir ein Alarmsystem. Hier erkennen wir die Lawine möglichst weit oben am Berg und haben dadurch zwischen 30 und 60 Sekunden Zeit, um beispielsweise eine Strasse zu sperren.

Wo kommt eine solche Anlage derzeit hauptsächlich zum Einsatz?
Elektronische Überwachungssysteme sind eine Alternative oder Ergänzung zu baulichen Massnahmen: Sie sind schneller installiert, flexibler und günstiger. Die Anlagen werden eingesetzt für Fels- und Gletscherinstabilitäten, Lawinen, Murgänge, Hochwasser oder auch, um Personen in gefährdeten Gebieten zu lokalisieren.

Wie funktioniert überhaupt eine solche Alarm- und Überwachungsanlage?
Unsere Anlagen messen die relevanten Prozesse in der Natur. Je nach Situation benutzen wir unterschiedliche Sensoren. Häufig verwenden wir Radar, da diese Technologie auf mehrere Kilometer Distanz und in der Nacht, bei Nebel oder Regen respektive Schneefall funktioniert. Die Messdaten werden von Algorithmen in Echtzeit ausgewertet und online visualisiert. Bei einem Alarmsystem werden zusätzlich lokale Ampeln, Sirenen oder Barrieren angesteuert.

Wie teuer ist ein solches System?
Ein System kostet je nach Funktionsumfang zwischen 10 000 und einigen 100 000 Franken.

Wie viel Zeit verstreicht vom Zeitpunkt, wo eine bedrohliche Veränderung festgestellt wird, bis zur Alarmierung respektive der Sicherung der gefährdeten Stelle? Reicht die Zeit, um Schlimmeres zu verhindern?
Dies ist je nach Prozess und lokaler Situation unterschiedlich. Bevor wir ein System installieren, klären wir diese Fragen sorgfältig ab, beispielsweise mit Simulationen der Ereignisse. So kann abgeschätzt werden, ob und wie stark eine Anlage das Risiko reduziert.

Führt das System nicht zu einer trügerischen Sicherheit?
Sicherheit ist immer relativ – auch unsere Systeme garantieren keine 100-prozentige Sicherheit. In der Schweiz spricht man von «Kostenwirksamkeit»: Man versucht immer diejenige Lösung zu finden, die pro investierten Franken die grösste Risikoreduktion erzielt. Elektronische Überwachungssysteme schneiden meist sehr gut ab: Sie bieten etwas weniger Sicherheit als beispielsweise ein Tunnel als Lawinenschutz, kosten aber massiv weniger.

Geopraevent hat den Eisabbruch am Eigergletscher überwacht. Ende August ist dieser erfolgt. Ist damit Ihr Auftrag erfüllt?
Der Gletscher wird nach wie vor mit einem Radarsystem überwacht. Die Messdaten werden regelmässig von Glaziologen überprüft – sie entscheiden, wie lange eine Überwachung noch notwendig ist.

Interview: Roberto Stefano

 

Geopraevent Handelszeitung
Handelszeitung, Special Naturgefahren, 22. September 2016