Automatische Sperrung und Wiederöffnung von Strasse und Schiene bei Lawinen

Feb 12, 2019Eis und Schnee, Neuigkeiten

Sind Alarmsysteme im Naturgefahrenbereich an automatische Sperrungen von Strasse oder Bahn gekoppelt, müssen bei der Umsetzung einige wichtige Aspekte berücksichtigt werden. So sollen die Schliesszeiten möglichst kurz gehalten aber gleichzeitig die Sicherheit jederzeit gewährleistet werden. Je nach Häufigkeit eines Ereignisses ist dies eine herausfordernde Aufgabe.

Im Falle der Lawinenalarmanlage in Randa wird diese Problematik besonders deutlich: Der Bisgletscher oberhalb des Dorfes Randa bricht über eine steile Kante in das Mattertal ab. Kleinere Gletscherabbrüche sind deshalb häufig und Eislawinen sind keine Seltenheit. Mit viel Neuschnee können die Abbrüche jedoch zu grossen Schneelawinen heranwachsen, die bis ins Tal vorstossen und die Kantonsstrasse wie auch die Matterhorn Gotthard Bahn gefährden. Dies passiert jedoch relativ selten – je nach Schnee- und Wettersituation nur wenige Male pro Winter. Kleinere Ereignisse können aber mehrmals täglich auftreten.

5.2.2019: Grosse Lawine in Randa (schneller abgespielt)

So funktioniert die Sperrung von Strasse und Bahn in Randa

Unser umfassendes Gletscherüberwachungssystem besteht unter anderem aus einem Lawinenradar, das Lawinen unterschiedlichster Grösse im Gletscherbereich zwischen 1500 und 3300 m ü.M. in Echtzeit detektiert. Nach einem Testwinter 2017/18 und der Auswertung von über 500 Ereignissen wurde das System Ende Januar an die bestehende Ampelanlage von Strasse und Bahn angeschlossen und die automatische Schliessung und Wiederöffnung aktiviert. Dabei musste ein Kompromiss zwischen Anzahl Sperrungen und „Fehlalarmen“ gefunden werden. Unter „Fehlalarm“ verstehen wir in diesem Zusammenhang wenn eine Lawine eine Sperrung korrekt auslöst schlussendlich aber vor dem Gefahrenbereich (d.h. Geleise, Strasse) zum Stillstand kommt. Die folgenden Grafiken geben eine Übersicht des implementierten Schliess- und Öffnungsablaufs.

Die Datenanalyse hat gezeigt, dass die grösste Lawinenaktivität im Bereich der Abbruchkante erfolgt. Die meisten Lawinen reissen dort an und enden bereits kurz darunter wieder, wenige grosse Lawinen gelangen bis zum Talboden. Um die Bahn und Strasse früh genug sperren zu können und gleichzeitig die Anzahl Sperrungen möglichst gering zu halten, haben wir zwei Alarmzonen mit unterschiedlichen Vorwarnzeiten definiert. Detektiert das Radar eine Lawine in der oberen Alarmzone, schliesst es die Bahn (60 Sekunden Vorwarnzeit). Erreicht die Lawine auch die Alarmzone der Strasse, wird diese ebenso gesperrt (30 Sekunden Vorwarnzeit). Die automatische Wiederöffnung erfolgt, wenn die Lawine den Gefahrenbereich nicht erreicht hat (95% der Fälle während des Testwinters). In den übrigen 5% hat die Lawine bei geschlossener Bahn und Strasse den Gefahrenbereich erreicht und die Sperrung muss nach einer Überprüfung des Zustandes von Bahn und Strasse manuell aufgehoben werden. Dies kann beispielsweise über die Webcam erfolgen, die via online Datenportal jederzeit und bequem aus der Ferne einen Einblick in die Situation vor Ort bietet, dank Infrarotscheinwerfern auch in der Nacht.

Erster Einsatz bereits nach wenigen Tagen 

Am 5. Februar 2019 um 10:29 ereignete sich nach einem Gletscherabbruch eine grosse Lawine und löste die automatische Sperrung der Bahn und Strasse aus (Video oben oder hier). Das Lawinenradar erkannte den Anriss der Lawine um 10:29:46 Uhr, 15 Sekunden später erreichte die Lawine die Alarmzone der Bahn, weitere 37 Sekunden später diejenige der Strasse. Bis die Staubwolke die Geleise erreichte waren 2 Minuten 17 Sekunden vergangen seit der Sperrung der Bahn. Die beim Bahnübergang installierte Webcam filmte die Lawine (Video unten oder hier). Ein von Visp kommender Zug stoppte vor der Ampel und der Lokführer filmte die Lawine aus dem Führerstand (20 Minuten).