Lawinenradar Zermatt: 244 Lawinen detektiert im Winter 2017/18

Jul 4, 2018Eis und Schnee, Neuigkeiten

Der dritte Betriebswinter 2017/18 des Lawinenradar-Detektionssystems in Zermatt war gleichzeitig ein ausserordentlicher mit rekordverdächtigen Schneefällen und extremen Lawinensituationen. Die beiden Lawinenradare zählten in den Lawinenzügen Lüegetli und Schusslobina oberhalb der Strasse Zermatt-Täsch insgesamt 244 Lawinen. Nach dem frühen Schnee im November löste sich am 10. Dezember 2017 die erste Lawine und die letzte wurde beinahe 6 Monate später, am 8. Mai 2018, detektiert.

Das Lawinenradar mit kombinierter Alarmanlage für die gefährdeten Strassenabschnitte war wegen der enormen Schneefälle im Dauereinsatz. Trotz Stromausfällen in Zermatt, lief das Radar dank redundanter Stromversorgung jedoch stets einwandfrei. Diese Statistik gibt eine Übersicht über den erfolgreichen Betrieb des Lawinenradars in Zermatt und unterstreicht den Nutzen der Radartechnologie für die Überwachung von Naturgefahren.

Sichtverhältnisse bei Detektion

Über 80% der Lawinen ereigneten sich mit keiner oder schlechter Sicht, d.h. waren von Auge nicht erkennbar. Die Hälfte aller Lawinen fanden dabei am Tag statt jedoch bei eingeschränkter Sicht, sei es durch Nebel, Schneefall oder Sturm. Ein Drittel der Lawinen ereigneten sich bei Dunkelheit und nur 18% bei guten Sichtverhältnissen. Von Auge war also lediglich jede fünfte Lawine erkennbar verglichen mit der automatischen Detektion des Radars.

Bei den gefährdeten Strassenabschnitten sind mehrere Kameras angebracht, die über Fernzugriff einen direkten Einblick in die Gefahrenzone bieten und Ereignisse automatisch aufzeichnen. Dank den kurzen Distanzen zu den Lawinen bieten diese Kameras auch bei Schlechtwetter meist genügend Sicht (z.B. hier bei Kamera 4)

Detektionsdistanz und -fläche

 

Die maximale Distanz von Radar zu Lawine bei der Detektion war 1.8 km. Das Lawinenradar von Geopraevent kann Lawinen in Distanzen von über 5 km detektieren, was im Falle des Setups in Zermatt aufgrund der topografischen Lage allerdings nicht notwendig ist. Vom Radarstandort Ried und mit dem horizontalen Öffnungswinkel von 90°  kann ein Bereich von über 2 km² abgedeckt und gleichzeitig beide Lawinenzüge, Lüegetli und Schusslobina, überwacht werden. Hat das Radar eine Lawine erfasst, verfolgt es diese bis sie zum Stillstand kommt oder aus dem Sichtfeld des Radars verschwunden ist. Die örtliche Auswertung der Lawinenpfade ergab, dass sich die detektierten Lawinen im Winter 2017/18 ziemlich gleichmässig auf die beide Lawinenzüge verteilten (48% Lüegetli, 52% Schusslobina).

 

Zeitreihe Winter 2017/18

 

Der warme und niederschlagsreiche Januar brachte grosse Neuschneemengen in  hohen Lagen (vor allem im Wallis). Die langjährige Schneemessstation Zermatt verzeichnete gar die höchste Neuschneesumme seit Messbeginn vor über 70 Jahren (SLF Winterflash 2017/18). Gut die Hälfte aller detektierten Lawinen gingen im Januar ab, Februar und März waren dagegen wieder relativ ruhig. Kurz vor Ostern stieg die Lawinenaktivität mit Neuschnee wieder an und mit 30 Lawinen verzeichnete das Lawinenradar am 28. März 2018 die grösste Anzahl Lawinen an einem Tag. Die beiden Radare zusammen zeichneten jedoch mehrfach eine höhere Anzahl Lawinen pro Tag auf, da grössere Lawinen von beiden Radaren erfasst werden. Die vorliegende Statistik wurde von Doppelzählungen bereinigt.

Lawinengrösse und – dauer

 

Das Radar schätzt automatisch das Ausmass einer detektierten Lawine ab und ordnet dieser eine Zahl zwischen 1 und 5 zu. Dabei handelt es sich um eine grobe Angabe zur Lawinengrösse, welche zudem von der Exposition der Lawine abhängt. Eine Lawine von Grösse 3 ist dabei viel grösser als eine Lawine der Grösse 1, der Unterschied zwischen einer Lawine der Grösse 3.1 und 3.3 kann jedoch sehr viel kleiner ausfallen. Der Grossteil der detektierten Lawinen waren mittel bis gross, einige wenige sogar sehr gross.

 

 

Die Lawinendauer entspricht dem Zeitraum von der Detektion bis zum Stillstand der Lawine/des nachfliessender Schnees oder bis die Lawine aus dem Sichtfeld des Radars verschwunden ist. Über die Hälfte der detektierten Lawinen dauerten weniger als 60 Sekunden und über 80% weniger als 3 Minuten. Bei einigen sehr grossen Lawinen floss bis über 5 Minuten Schnee nach; die längste Lawine wurde am 4. Januar 2018 gemessen und dauerte 5 Minuten 46 Sekunden. Die ersten paar Minuten dieser Lawine sind in diesem eindrücklichen Video zu sehen.